Die Arbeitslosigkeit in Niederösterreich ist im Juli erneut gestiegen – um 4,1 % im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind junge Arbeitssuchende, ältere Menschen und Beschäftigte im produzierenden Gewerbe. Während Löhne und Kaufkraft stagnieren, rücken Perspektiven in weite Ferne: Eine Entlastung am Arbeitsmarkt wird frühestens 2026 erwartet. Die SPÖ warnt vor einer schleichenden Deindustrialisierung und setzt auf Projekte wie die Jobgarantie Marienthal, um der steigenden Arbeitslosigkeit gezielt entgegenzuwirken.
Mehr Arbeitslose, weniger Perspektiven: Niederösterreich rutscht tiefer in die Krise
Die Zahl der Menschen ohne Job in Niederösterreich ist auch im Juli weiter angestiegen. Waren Ende Juni noch 51.735 Personen arbeitslos oder in Schulungen gemeldet, zählte das AMS im Juli bereits 51.886 arbeitslose Personen. Das entspricht einem Plus von 151 Personen binnen eines Monats. Trotz saisonüblicher Schwankungen setzt sich damit der negative Trend der letzten Monate fort. Besonders stark stieg die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren (+6,3 %) und bei Menschen über 50 Jahren (+4,9 %). Die Zahl der arbeitslosen Frauen stieg um 3,6 %, bei Männern um 2,8 %.
Die offenen Stellen nahmen im Monatsvergleich ebenfalls ab: Während im Juni noch 14.584 Jobs beim AMS gemeldet waren, sind es im Juli nur mehr 14.070 – ein Rückgang um rund 3,5 % innerhalb eines Monats. Die Zahl der gemeldeten Lehrstellen sank von 1.395 im Juni auf 1.026 im Juli – ein dramatischer Einbruch um 26,4 %.
Besonders stark betroffen sind Branchen wie der Handel (+11,0 %), Gastronomie (+11,2 %) und technische Dienstleistungen (+12,6 %)
Besonders hohe Zuwächse in Bruck/Leitha, Neunkirchen und Waidhofen
Die stärksten Anstiege bei der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat verzeichnen die Bezirke Bruck/Leitha (+8,5 %), Neunkirchen (+8,6 %), Krems (+11,8 %) und Waidhofen an der Ybbs (+16,0 %). Die Grafik verdeutlicht diese regionalen Unterschiede:

Dramatischer Einbruch bei offenen Lehrstellen
Aktuell meldet das AMS Niederösterreich zwar 14.070 offene Stellen und 1.026 Lehrstellen – doch im Vergleich zum Vorjahr sind diese Zahlen deutlich rückläufig. Die offenen Stellen sind um fast 12 % gesunken, die Lehrstellen sogar um über 26 %. Das zeigt, dass trotz des Angebots der Unternehmen weniger neue Stellen ausgeschrieben werden, was den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzt.
Lehrlinge frustriert: “Viele Bewerbungen bleiben unbeantwortet“
Viele junge Menschen suchen derzeit vergeblich nach einem Ausbildungsplatz. Obwohl sie motiviert sind und sich dutzendfach bewerben, kommen keine Rückmeldungen oder es hagelt Absagen. Der Fall des 17-jährigen Sandor, der trotz rund 80 Bewerbungen keinen Ausbildungsplatz erhalten hat, ist kein Einzelfall: Laut Arbeiterkammer Wien fehlen österreichweit rund 15.000 Lehrstellen. Und die Zahl der offenen Lehrstellen sinkt weiter – allein in Niederösterreich um über 26 % im Vergleich zum Vorjahr. Was bleibt, ist Frust und Unsicherheit.
SPÖ NÖ warnt vor weiterer Deindustrialisierung
Sven Hergovich, SPÖ-Landesvorsitzender und Landesrat, bezeichnet die Lage am Arbeitsmarkt in Niederösterreich als „dramatische Situation für Arbeitslose, ihre Familien und Angehörigen“. Er kritisiert die Landesregierung scharf: „Schwarz-Blau sieht tatenlos zu, wie die Leben von immer mehr Landsleuten massiv Schaden nehmen. Die Arbeitslosigkeit bei unter 25-Jährigen steigt um 6,3 %, bei den über 50-Jährigen um 4,9 %. Hier darf man nicht länger zusehen, wie sich Arbeitslosigkeit verfestigt, während die Deindustrialisierung in Niederösterreich voranschreitet.“ Und: Die negative Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Juli in Niederösterreich wirft weiter Fragen zur Wirtschafts- und Standortpolitik auf.
Papierfabrik Pitten streicht 52 Stellen
Auch im Juli bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in Niederösterreich hinter den Erwartungen zurück. Ende Juli wurde bekannt, dass die Papierfabrik in Pitten 52 der 322 Arbeitsplätze abbauen wird. Ursache dafür ist die Stilllegung einer Papiermaschine, die nicht mehr kostendeckend betrieben werden kann. Hergovich reagiert auf die alarmierende Entwicklung:
„Kaum eine Woche vergeht mehr, ohne dass ein Betrieb Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abbaut, oder die Produktion für immer schließt. Doch Deindustrialisierung und steigende Arbeitslosigkeit sind kein Schicksal. Schwarz-Blau kann sofort Maßnahmen setzen.“
Hohe Inflation verringert Kaufkraft der Haushalte
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit, die nicht nur im Juli, sondern bereits in den Vormonaten deutlich zu beobachten ist, wird also auch für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich zum Problem. Auch die anhaltend hohe Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft aus. Steigende Preise für Energie, Lebensmittel und Mieten bedeuten für viele Haushalte eine zusätzliche finanzielle Belastung. Die Kombination aus stagnierender Wirtschaft, steigender Arbeitslosigkeit und schwindender Kaufkraft sorgt für Unsicherheit bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Landesrat Sven Hergovich richtet deshalb mahnende Worte an die blau-schwarze Landeskoaltion in Niederösterreich und fordert Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP) und Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) in einer aktuellen Presseaussendung zum Handeln auf:
„Die schwarz-blaue Landesregierung darf nicht länger zuschauen und muss sofort Maßnahmen setzen. Das weltweit ausgezeichnete Jobgarantie-Modellprojekt Marienthal wurde aus rein parteipolitischen Gründen eingestellt. Ich fordere die sofortige Wiederaufnahme. Außerdem braucht es ein Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm mit Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Klimainfrastruktur und sozialen Wohnbau. Zudem muss das Land die EVN in die Pflicht nehmen, um die hohen Energiepreise zu senken und damit Arbeitsplätze zu sichern.“
Jobgarantie-Projekt Marienthal feiert Comeback auf Bundesebene
Im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass Finanzminister Markus Marterbauer das bewährte Jobgarantie-Modell Marienthal auf Bundesebene wieder aufleben lässt. Das Modell ist nach einer ehemaligen Fabrikssiedliung im Ortsteil Marienthal in Gramatneusiedl benannt und hat in der Region nachhaltige Erfolge erzielt, bis es von der schwarz-blauen Landesregierung eingestellt wurde.
Das wegweisende Projekt, das in Niederösterreich im Jahr 2020 erfolgreich umgesetzt wurde, bot Langzeitarbeitslosen bis 2024 konkrete Jobperspektiven, stärkte den sozialen Zusammenhalt und kurbelte die regionale Wirtschaft an.
Beim gemeinsamen Besuch in Marienthal betonten Finanzminister Markus Marterbauer und Landesrat Sven Hergovich die Bedeutung innovativer Arbeitsmarktprojekte:
„Aus dem Jobgarantie-Projekt in Marienthal lässt sich sehr viel lernen. Dank der wissenschaftlichen Begleitung haben wir neue Daten und Fakten für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gewonnen. Langfristig stellen solche Jobgarantie-Projekte sehr sinnvolle Instrumente gegen Langzeitarbeitslosigkeit und Armut dar. Es ist Aufgabe der Politik, Arbeitslosigkeit – vor allem Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit – zu bekämpfen. Wichtig ist dabei, immer wieder neue Projekte zu starten. Ich bin deshalb sehr froh, dass die Bundesregierung österreichweit 2026 und 2027 mit der Aktion 55+ durch innovative Ansätze Arbeitsplätze in gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und sozialökonomischen Betrieben fördern wird“, so Marterbauer in einer aktuellen Presseaussendung.
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