Über 800.000 Menschen stehen in Niederösterreich in einem Beschäftigungsverhältnis. Doch immer wieder kommt es zu Konflikten, wenn Unternehmen Löhne nicht fristgerecht auszahlen, arbeitsrechtliche Vorgaben missachten oder Beschäftigten im Streitfall Unterstützung verweigern. In solchen Fällen steht die Arbeiterkammer Niederösterreich den Arbeitnehmer:innen zur Seite und hilft, ihre Ansprüche durchzusetzen. 68,8 Millionen Euro an berechtigten Ansprüchen konnten für die Betroffenen zurückgeholt werden.
In Niederösterreich waren im Jahr 2024 844.700 Menschen erwerbstätig. Besonders viele von ihnen arbeiten im Gesundheits- und Sozialbereich, etwa in den Landeskliniken, sowie in der Industrie und Produktion. Für viele ist der Job nicht nur Einkommensquelle, sondern auch Absicherung für die Familie. Umso schwieriger wird es, wenn es zu Konflikten mit Arbeitgeber:innen kommt – etwa bei unbezahlten Löhnen, ungerechten Kündigungen oder Problemen mit der Sozialversicherung.
Genau hier setzt die Arbeiterkammer Niederösterreich (AK NÖ) an. Sie versucht, Beschäftigten zu helfen, ihre Rechte durchzusetzen – mit Beratung, rechtlichem Beistand und politischem Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen.
68,8 Millionen Euro für Arbeitnehmer:innen aus Niederösterreich zurückgeholt
Im ersten Halbjahr 2025 haben sich 74.000 Arbeitnehmer:innen an die AK Niederösterreich gewandt. In vielen Fällen reichte eine Beratung aus, um Missverständnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu klären. In mehr als 6.000 Fällen mussten die AK-Expert:innen aktiv eingreifen – etwa, um ausstehende Löhne einzufordern, Kündigungen anzufechten oder Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Das Ergebnis: 68,8 Millionen Euro an berechtigten Ansprüchen konnten für die Betroffenen zurückgeholt werden.
Fleischer aus Niederösterreich verliert Job wegen Arbeitsunfall
Der Fall von Dominic Krüger aus dem Bezirk Amstetten zeigt, wie wichtig der Einsatz der Arbeiterkammer sein kann: Der gelernte Koch begann Anfang des Jahres als Fleischer in einer großen Lebensmittelkette. Knapp zwei Wochen nach Arbeitsbeginn fiel ihm beim Ausladen eine 24 Kilogramm schwere Kiste auf die Hand.
„Ich hab weitergearbeitet. Ich konnte doch meinen Kollegen in der Filiale nicht im Stich lassen.“, erzählt Krüger. Erst am nächsten Tag ging er ins Spital. Der Arbeitgeber zeigte sich für Krügers Einsatz alles andere als dankbar. Statt Unterstützung kam die Kündigung – mitten im Krankenstand. Begründung: Er sei noch in der Probezeit. Doch das stimmte so nicht. Im Kollektivvertrag des Fleischergewerbes gilt eine Probezeit nur dann, wenn sie ausdrücklich im Dienstvertrag vereinbart wurde. Einen solchen Vertrag hatte Krüger allerdings nie unterschrieben oder erhalten.
Erst nach dem Unfall schickte die Firma ein rückdatiertes Papier nach – mit widersprüchlichen Angaben: einerseits eine Probezeit, andererseits ein befristetes Arbeitsverhältnis, das just am Unfalltag endete. Den Lohn für die ersten Wochen bekam Krüger ebenfalls nicht, und den Arbeitsunfall meldete die Firma nicht einmal der AUVA.
Arbeiterkammer sichert Entgeltfortzahlung und Urlaubsansprüche
„Mit mir nicht“, dachte sich Krüger und wandte sich an die AK-Bezirksstelle Amstetten. Dort nahm sich Leiter Herbert Grurl des Falls an: „Wir haben die Entgeltfortzahlung bis zum Ende des Krankenstandes samt anteiliger Sonderzahlungen und Urlaubsansprüche bei der Firma eingefordert“, sagt Grurl. Die Firma zahlte noch bevor die AK klagen musste. Krüger zeigte sich sehr erleichtert, auch wenn seine Hand noch nicht vollkommen geheilt ist.
Systemwechsel statt Sanktionen
Neben Einzelfällen wie diesem steht die AK auch auf politischer Ebene an der Seite der Arbeitnehmer:innen. Im Sommer dieses Jahres wurde etwa die Teilzeit-Debatte von Landeshauptfrau Mikl-Leitner geführt. Sie sprach von Lifestyle-Teilzeit, die dem Sozialstaat schade. Die ÖVP-Politikerin forderte Sanktionen gegen Teilzeitarbeitende. Für die AK ist klar: Sanktionen sind der falsche Weg. Stattdessen brauche es endlich einen Systemwechsel, der es vor allem Frauen erleichtert, Vollzeit zu arbeiten, wenn sie das wollen – etwa durch bessere Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und faire Löhne.
Warum Kollektivverträge so wichtig sind
Viele Konflikte, mit denen sich AK-Berater:innen beschäftigen, hängen mit den Kollektivverträgen (KV) zusammen. Kollektivverträge bilden den rechtlichen Rahmen für alle Arbeitsverhältnisse einer Branche. Sie werden zwischen den Fachgewerkschaften und den Arbeitgebervertretungen verhandelt und legen zentrale Arbeitsbedingungen fest – etwa Mindestlöhne und -gehälter, Arbeitszeiten oder Zuschläge für Überstunden und Mehrarbeit. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt ist darin geregelt. In vielen Fällen sichern Kollektivverträge den Beschäftigten sogar bessere Kündigungsfristen oder längere Urlaubsansprüche, als das Gesetz vorschreibt.
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wenn Sie relevante Informationen zum Artikel beitragen können, schicken Sie uns doch eine Mail!