In Amstetten wird anders g’redt als in Mistelbach – und zwischen Melk und Gänserndorf liegen oft sprachliche Welten. Während man in Amstetten sagt: ‚Geh her do, i zoag da wos!‘, heißt es in Mistelbach eher: ‚Kumm amoi her, i wü da wos zeigen!‘ Dazwischen gibt es unzählige regionale Varianten. Auf Bahnhöfen, Märkten oder im Wirtshaus wird hörbar: Dialekt lebt. Doch woher kommen diese Unterschiede – und was verrät der Dialekt über die einzelnen Regionen Niederösterreichs?
Dialekte aus dem Mittelbairischen: Woher sie stammen und wie sie sich entwickeln
Unsere Sprache gibt Hinweise darauf, wo wir aufgewachsen sind, mit wem wir kommunizieren und in welchem sozialen Umfeld wir leben. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2024 gaben 94 % der Österreicherinnen und Österreicher an, dass sie Dialekt sprechen. Die Mundart hat also immer noch einen hohen Stellenwert in unserem Alltag. Der Dialekt in Niederösterreich hat, ebenso wie der Oberösterreichische oder Wienerische, seinen Ursprung im Mittelbairischen – einem eigenständigen Sprachraum, der nichts mit dem heutigen Bayerisch im engeren Sinne zu tun hat. Über Jahrhunderte hinweg haben sich daraus regionale Varianten mit eigenen Lautbildern, Wortschätzen und Redewendungen entwickelt. Vor allem am Land spielt der Dialekt nach wie vor eine zentrale Rolle – sei es am Stammtisch, auf dem Wochenmarkt oder im Vereinsleben. Er verbindet Generationen, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und verleiht Gesprächen eine regionale Färbung. Wer Dialekt spricht, zeigt damit auch eine enge Verbundenheit mit der Region.
Vier Viertel – vier Sprachräume: Sprachliche Unterschiede in Weinviertel, Waldviertel, Mostviertel & Industrieviertel
In Niederösterreich prägen die vier historisch gewachsenen Regionen nicht nur Landschaft und Kultur, sondern auch die Sprache. Geschichte, Geografie und Gesellschaft haben den Dialekt der einzelnen Regionen hörbar geprägt.
Im Weinviertel dominiert eine weiche, gedehnte Aussprache. Charakteristisch sind stimmhafte Endlaute (also das „d“ wie „t“ in „Hund“ ) und viele Diphthonge, was Sätze wie „Des haumma eh scho gmocht, woast eh.“ typisch klingen lässt. Durch die Nähe zu Wien und zur slowakischen Grenze ist der Dialekt ostmittelbairisch geprägt – mit leichten Einflüssen aus dem Osten.
Das Waldviertel klingt hingegen deutlich härter. Der härtere Klang und alte Sprachformen zeigen sich in Sätzen wie „Do kimmt da Wind scho wieda owa.“ Die geografische Abgeschiedenheit und frühere Kontakte zu böhmisch-slawischen Sprachräumen haben hier Spuren hinterlassen.
Im Mostviertel, das sich zwischen dem nieder- und oberösterreichischen Sprachraum erstreckt, sind „oa“-Lautungen wie in „hoaßt“ (heißt) und kontrahierte Formen wie „waunst“ (wenn du) typisch. Der Dialekt in dieser Region in Niederösterreich klingt bodenständig – wie im Satz: „I bin scho furt, waunst mi suachst.“
Im Industrieviertel haben Urbanisierung und Zuzug den Dialekt spürbar verändert. Durch die Nähe zu Wien verlieren dialektale Eigenheiten an Schärfe. In Städten hört man oft Hochdeutsch mit Dialekt-Einschlag – wie: „Geh, kumm oba – des krieg ma scho zamm.“ Der Wiener Einfluss ist hier besonders spürbar, ebenso wie die sprachliche Anpassung durch Zuzug und Pendlerbewegungen.
Das Jenische in Loosdorf: Eine fast vergessene Sprache in Niederösterreich
Wer durch Loosdorf bei Melk spaziert, ahnt kaum, dass hier eine fast vergessene Sprache überlebt hat – das Jenische. In diesem kleinen, unscheinbaren Ort bei Melk lebt ein sprachliches Erbe weiter, das kaum jemand kennt – das Jenische. Die seltene Sprache mit Einflüssen aus dem Deutschen, Rotwelschen, Romani und Jiddischen wurde einst von fahrenden Handwerks- und Händlerfamilien gesprochen – als eine Art Geheimsprache innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft. Bereits um 1800 ließen sich Jenische in Loosdorf nieder. Viele von ihnen ließen sich im benachbarten Sitzenthal nieder – einem Ortsteil, der im Zuge einer staatlich organisierten Siedlungspolitik unter Maria Theresia entstand. Bis heute ist dort „jenisch baaln“ (jenisch sprechen) für viele Einheimische ganz selbstverständlich.
Begriffe wie „buttn“ (essen), „gschutzt“ (dumm), „tschineun“ (arbeiten) oder „Lowe“ (Geld) sind heute noch im lokalen Sprachgebrauch anzutreffen – besonders in Alltagsgesprächen unter Ortsansässigen. Anders als viele regionale Dialekte war Jenisch nie offiziell anerkannt, sondern wurde lange stigmatisiert. Heute gilt das Jenische als bedrohtes Kulturgut – und als Zeugnis eines kaum bekannten Kapitels der niederösterreichischen Sprachgeschichte.
Wie junge Menschen in Niederösterreich Dialekt sprechen – zwischen Tradition und Wandel
Spricht die junge Generation noch Dialekt? Ja – aber in veränderter Form. Während frühere Generationen oft ganz selbstverständlich im Dialekt aufgewachsen sind, wechseln viele junge Menschen heute je nach Situation zwischen Dialekt, Umgangssprache und Hochdeutsch. In der Schule, in den sozialen Medien oder im Berufsleben dominiert meist die Standardsprache – am Fußballplatz, beim Feuerwehrfest oder zu Hause kommt der Dialekt noch ganz selbstverständlich zum Einsatz.
„In der Schule spreche ich Hochdeutsch, aber wenn ich mit meinen Freunden unterwegs bin, kommt der Dialekt ganz automatisch.“ – sagt Sophie, 17, Schülerin aus dem Industrieviertel.
Dialekt wird heute gezielter eingesetzt und verändert sich unter dem Einfluss von Medien und Mobilität. Durch Urbanisierung, Schulbildung und den ständigen Kontakt mit Standardsprache auf sozialen Medien verschwinden manche lokale Eigenheiten. Gleichzeitig entstehen neue Sprachmischformen zwischen Dialekt und Hochdeutsch. Im Dialekt zu sprechen, ist heute oft eine bewusste Wahl und Ausdruck sozialer Zugehörigkeit.
„I g’freu mi, wenn die Jungen nu Dialekt reden – a wenn sich’s ned mehr ganz anhört wie bei uns damals.“ – Maria, 65, Pensionistin aus dem Raum St. Pölten
Warum Dialekt in Niederösterreich eine Zukunft hat
In Niederösterreich unterscheidet sich der Dialekt also je nach Region – diese Vielfalt prägt den sprachlichen Alltag. Das Weinviertel ist geprägt von gedehnten Lauten, das Waldviertel klingt härter, im Mostviertel dominieren charakteristische „oa“-Laute. Dialekte spiegeln regionale Geschichte und prägen das Zugehörigkeitsgefühl vieler Menschen. Auch wenn sich Sprachgewohnheiten wandeln und junge Menschen heute flexibler zwischen Varianten wechseln, bleibt der Dialekt ein wichtiger Teil der regionalen Kultur.
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