Niederösterreich steht für idyllische Weinberge und Naturlandschaften, Kunsthandwerk und reichhaltige Kulinarik. Dass in dieser malerischen Kulisse weltberühmte Erfindungen entstanden sind, wissen dagegen nur wenige. Von technischen Innovationen über Kosmetik bis hin zu kreativen Lösungen, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind – die Region ist ein wahrer Hotspot für Innovationen. Wir präsentieren: Acht Erfindungen aus dem Bundesland, die die Welt verändert haben.
Niederösterreich ist das größte Bundesland Österreichs. Mit einer Fläche von etwa 19.186 Quadratkilometern erstreckt sich die Region von der Donau bis zu den Alpen. Rund 1,7 Millionen Menschen leben hier. Das macht Niederösterreich zum zweitbevölkerungsreichsten Bundesland nach Wien. Die Region ist bekannt für erfolgreichen Weinbau und spielt eine wichtige Rolle in der österreichischen Landwirtschaft und Industrie. Das ist aber nicht alles. Denn in Niederösterreich steckt jede Menge Erfindergeist. In den letzten 100 Jahren wurden über 45.500 Erfindungen aus Niederösterreich zum Patent angemeldet. Einige davon haben weltweit für Aufsehen gesorgt und das tägliche Leben nachhaltig verändert.
Erfindungen aus Niederösterreich:
1. Ferdinand Porsche – das erste Hybridauto der Welt (1900)
Sie denken, Elektroautos wären eine moderne Errungenschaft? Nicht ganz. Tatsächlich reicht die Geschichte der Elektroantriebe bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Überraschenderweise war der Elektromotor zu Beginn des vorigen Jahrhunderts bereits sehr erfolgreich. Die meisten Autos fuhren damals elektrisch, bis diese Modelle von leistungsstärkeren Fahrzeugen mit Benzinmotor verdrängt wurden.
Eine der bedeutendsten Erfindungen aus Niederösterreich stammt von Ferdinand Porsche. Er entwickelte im Jahr 1900 das weltweit erste Hybridauto „Semper Vivus“ (lat. für „immer lebendig“). Er präsentierte es noch im selben Jahr auf der Weltausstellung in Paris. Dort sorgte seine Erfindung für Begeisterung: Denn einen Wagen wie den 3,40 Meter langen und 1,85 Meter hohen Viersitzer mit elektrisch angetriebenen Vorderrädern und einem Verbrennungsmotor hatte die Welt bis dahin noch nicht gesehen. Der Hybrid-Prototyp war 2,7 PS stark und 35 km/h schnell. Porsche entwickelte das Auto bis zur Serienreife weiter. Ab 1902 wurde das Fahrzeug als Modell „Mixte“ verkauft. Doch die Technologie war nicht ganz ausgereift: Die Autos ließen sich aufgrund der sehr schweren Vorderräder kaum auf Kurs halten. Der Legende nach ließ sich sogar Erzherzog Franz Ferdinand in einem „Mixte“ chauffieren. Trotzdem blieb der kommerzielle Erfolg aus: Bis Ende 1905 wurden nur 65 Fahrzeuge verkauft.
Porsches Innovation gehört zweifellos zu den herausragenden Erfindungen aus Niederösterreich, die ihrer Zeit weit voraus waren.
2. Peter Stein – die Handwaschmaschine (1923)
Zu den bedeutendsten Erfindungen aus Niederösterreich zählt auch die manuell betriebene Handwaschmaschine von Peter Stein. Das Wäschewaschen war einst eine körperlich anstrengende und erschöpfende Tätigkeit. Stundenlang musste die „Waschrumpel“ auf und ab bewegt werden. Wäsche reinigen ohne Schulterschmerzen? Damals unvorstellbar.
Peter Stein aus Pottendorf im Bezirk Baden meldete 1923 ein Patent für die erste Handwaschmaschine an und revolutionierte damit den Waschvorgang. Zwar war sie von der Waschmaschine, wie wir sie heute kennen, noch weit entfernt, denn Strom war noch lange nicht flächendeckend verfügbar. Trotzdem stellte seine Maschine einen echten Fortschritt in der Vereinfachung und Mechanisierung des Waschvorgangs dar. Außerdem integrierte Stein eine Funktion zum Auswringen nasser Wäsche – das verkürzte den Trockenvorgang immens. Die neue Waschmaschine funktionierte mit einer Handkurbel, die die Wäsche in Bewegung setzte. Die lästige „Waschrumpel“ wurde überflüssig.
3. Helena Winterstein-Kambersky – Wasserfeste Wimperntusche (1930)
Haben Sie gewusst, dass wasserfeste Wimperntusche eine der vielen Erfindungen aus Niederösterreich ist? Für die Sängerin Helene Winterstein-Kambersky war das Bühnen-Make-up der 1920er Jahre ein Graus. Für den perfekten Augenaufschlag durfte schon damals die Wimperntusche nicht fehlen. Doch es gab ein Problem: Die damaligen Inhaltsstoffe ähnelten der einer Schuhcreme und waren alles andere als hautfreundlich. Außerdem machte die Hitze der Scheinwerfer auf der Bühne die festen Pflegeöle in der Wimperntusche zu schnell flüssig.
Helene Winterstein-Kambersky nahm die Sache deshalb im wahrsten Sinn des Wortes selbst in die Hand: In ihrer eigenen Küche arbeitete sie an einer Lösung für das Problem. Es brauchte etwa 2.000 Versuche, bis Helene Winterstein-Kambersky 1930 die erste wasserfeste Wimperntusche der Welt erfand. Ihre Formel mit Bienenwachs und einem Kohlenwasserstoffgemisch revolutionierte die Augenkosmetik. Ihr Familienunternehmen, Helene Winterstein Cosmetic, wird heute in dritter Generation mit Sitz im Bezirk Mödling geführt und hat sich als eine feste Größe in der Kosmetikbranche etabliert.
4. Hedy Lamarr – das Frequenzsprungverfahren als Mobilfunkgrundlage (1940)
Hedy Lamarr war nicht nur eine gefeierte Schauspielerin, sondern auch eine innovative Erfinderin. Ihrem Streben nach Innovation verdanken wir Technologien wie WLAN und Bluetooth. Geboren als Hedwig Kiesler am 9. November 1914, wurde sie schon früh von der Musik geprägt. Ihre Begeisterung für die Oper führte sie zu einer erfolgreichen Gesangs- und Schauspielkarriere. Bereits mit 17 spielte Hedy Kiesler, wie Lamarr mit bürgerlichem Namen hieß, an der Seite von Heinz Rühmann ihre erste Hauptrolle. 1937 ging Kiesler nach Hollywood, um den Nazis, aber auch ihrer Ehe mit dem Waffenfabrikanten Fritz Mandl zu entfliehen. Mit ihm lebte sie im Schloss Schwarzenau im Waldviertel.
Angekommen in den USA, gab sich Kiesler den Künstlernamen Hedy Lamarr, und wurde von den Metro-Goldwyn-Mayer-Studios als „schönste Frau der Welt“ vermarktet. Nur vier Jahre später, im Jahr 1941, meldete sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil ein Patent für das Frequenzsprungverfahren an. Dieses Verfahren bildet die Grundlage für viele moderne Drahtlos-Technologien wie WLAN und Bluetooth.
Die Idee dazu entstand während des Zweiten Weltkriegs, als Lamarr eine Methode entwickelte, um Torpedos fernzusteuern. Ihre Erkenntnisse aus der Musik und dem Zusammenspiel verschiedener Klänge inspirierten sie dazu, mehrere Funkfrequenzen gleichzeitig zu nutzen und diese während der Übertragung zu wechseln. Mit dem „Secret Communication System“ wollten Lamarr und Antheil eine sichere Kommunikation ermöglichen. Doch die US-Navy zeigte kein Interesse an der Erfindung. Erst Jahrzehnte später wurde Lamarrs Frequenzsprungverfahren als grundlegendes Element der heutigen Funktechnologie wiederentdeckt. Die mathematischen und technischen Ideen ermöglichen es uns heute, über Bluetooth und WLAN zu kommunizieren.
5. Franz Viehböck und Fotec – Ionenquelle für Satellitenantrieb im Weltraum (1949)
Wussten Sie, dass sich mittlerweile 138 Triebwerke „Made in Niederösterreich“ im Weltraum befinden? Diese beeindruckende Zahl ist das Ergebnis einer der bahnbrechenden Erfindungen, die vom niederösterreichischen Physiker und Astronauten Franz P. Viehböck im Jahr 1949 entwickelt wurde. Viehböck schuf eine neuartige Ionenquelle, die heute eine zentrale Rolle in der Massenspektrometrie spielt. Aber was genau bedeutet das? Ionenantriebe funktionieren, indem sie Treibstoff ionisieren und beschleunigen, was es Satelliten ermöglicht, präzise ausgerichtet und beschleunigt zu werden. Besonders bemerkenswert ist die FEEP-Technologie (Field Emission Electric Propulsion), die Viehböck und das Unternehmen Fotec weiterentwickelten. Sie nutzt flüssiges Metall als Treibstoff, um Ionen an speziellen Nadeln zu beschleunigen. Das Ergebnis? Wenig Treibstoffverbrauch und eine beeindruckend lange Lebensdauer der Triebwerke.
Die Geschichte dieser bedeutenden Erfindung begann 1991, als Franz Viehböck die ersten flüssigmetallionischen Quellen an Bord der Raumstation MIR testete. Ab 2010 wurde die Technologie von Fotec optimiert und 2015 mit einem Prototyp eines integrierten elektrischen Antriebssystems perfektioniert. 2018 folgte der Durchbruch: die erste erfolgreiche Demonstration im Orbit – ein entscheidender Meilenstein für die Raumfahrt! Heute arbeitet das Wiener Neustädter Forschungsunternehmen Fotec im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA an der Weiterentwicklung dieser zukunftsweisenden Technologie.
6. Lenz Moser – die Hochkultur der Weinrebenerziehung (1950)
Die Weinkellerei Lenz Moser ist weit über die Grenzen Niederösterreichs bekannt. In der heutigen Weinkellerei in Rohrendorf bei Krems in Niederösterreich hat Lenz Moser mit seinen Innovationen in den 1950er-Jahren die Art und Weise, wie Weintrauben angebaut werden, auf den Kopf gestellt. Traditionell angelegte Weingärten, wie wir sie heute kennen, gehen auf seine Erfindungen und Überlegungen zurück.
Statt die Reben traditionell niedrig zu halten und in der sogenannten Stockkultur anzubauen, zog Moser die Pflanzen über eine Laubwand im Drahtrahmen in die Höhe. Das löst gleich mehrere Probleme: Die Winzer können die Weinlese aufrechter Haltung durchführen, und die Trauben sind besser vor intensiver Sonne und Feuchtigkeit geschützt. Zudem fördert die Methode eine verbesserte Luftzirkulation.
Eine weitere praktische Neuerung war die Schaffung von Fahrgassen zwischen den Reihen, die es Traktoren ermöglichten, leichter durch die Weingärten zu fahren. Diese arbeitsoptimierende Methode war nicht nur weniger anstrengend für die Winzerinnen und Winzer, sondern erhöhte auch die Effizienz des Weinbaus.
Dank Lenz Moser haben sich seine Techniken weltweit durchgesetzt und prägen heute die moderne Weinproduktion. Sein Beitrag zur Weinrebenkultur ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Innovationen in der Landwirtschaft nicht nur die Arbeitsweise verändern, sondern darüber hinaus auch die Qualität und den Genuss von Wein nachhaltig verbessern können.
7. Constantia Teich – der “Joghurt-Deckel” (1960)
Jede und jeder kennt ihn und viele benutzen ihn in der einen oder anderen Form vermutlich sogar täglich: den Aluminiumdeckel, der Joghurts, süße Nachspeisen und Kaffeezubereitungen für unterwegs sicher verschließt. Seit den 1990er-Jahren sorgt das Unternehmen Constantia Teich aus Niederösterreich mit dem „Aluminiumdeckel mit Ausgieß- und Trinköffnung“ für sichere und transportfähige Lebensmittel. Die geniale Erfindung dichtet perfekt ab, schützt den Inhalt und lässt sich leicht öffnen. Der geringe Materialverbrauch und die hervorragende Recyclingfähigkeit machen die „Aluminiumplatine“ zudem nachhaltig. Heute entwickelt das Unternehmen unter anderem neue Varianten aus Papier, um noch ressourcenschonender zu produzieren.
8. Dieter Falkenhagen – das Prometheus-System: der Lebensretter aus Niederösterreich (1998)
In der griechischen Mythologie ist Prometheus einer der großen Wohltäter der Menschheit. Er lehrte den Umgang mit Feuer und verschaffte den Menschen Zugang zu Technologien und nützlichen Künsten, um sich weiterzuentwickeln. Das Prometheus-System, eine Erfindung aus Niederösterreich, trägt einen ähnlichen Geist in sich: Es bezeichnet eine lebensrettende Technologie, um Menschen mit akutem Leberversagen medizinisch zu versorgen.
Das Prometheus-System reinigt das Blut außerhalb des Körpers, entfernt Giftstoffe und gibt der geschädigten Leber Zeit, um sich zu erholen – ähnlich zur Dialyse, die lebenswichtige Funktionen der Nieren übernimmt.
Die von Dieter Falkenhagen im Jahr 1998 an der Donau-Universität Krems entwickelte Technologie hat sich mittlerweile weltweit etabliert und rettet rund um den Globus Menschenleben. Denn dank des Prometheus-Systems können Patienten mit akutem Leberversagen nicht nur die Zeit bis zu einer Transplantation überbrücken, sondern außerdem den Regenerationsprozess in Gang setzen. Die Leber ist in der Lage, sich selbst bei einer Schädigung von bis zu 90 Prozent noch zu heilen, sofern genug Zeit zur Verfügung steht. So können in einigen Fällen Lebertransplantationen umgangen werden.
Erfindungen aus Niederösterreich – ein inspirierendes Erbe
Niederösterreich hat sich als Zentrum für innovative Technologien etabliert, und ist ein wichtiger Akteur in der Forschung. Seit den 1970er-Jahren wurden hier über 20.200 Patente angemeldet, viele davon in zukunftsweisenden Bereichen wie elektrischen Maschinen sowie spezialisierten Technologien. Diese beeindruckenden Zahlen zeigen das große Potenzial der Region. Außerdem verdeutlichen sie, dass Niederösterreich nicht nur ein Ort der Kultur ist, sondern auch maßgeblich zur technologischen Entwicklung beiträgt.