Kinderbetreuung ist entscheidend dafür, ob Eltern Beruf und Familie vereinbaren können – und wichtig für die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern. Doch das Betreuungsangebot in Österreich ist keineswegs einheitlich: Die Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Einige Länder haben bereits ein gut ausgebautes, flexibles Betreuungsangebot – in anderen ist Kinderbetreuung nach wie vor eine Geduldsprobe.
Keine einheitlichen Qualitätsstandards für Kinderbetreuung in Österreich
In Österreich besuchen fast alle Kinder zwischen drei und fünf Jahren eine Betreuungseinrichtung. Die Betreuungsquote liegt bei über 90 Prozent (94%). Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Kinder unter gleichen Bedingungen betreut werden. Verfügbare Ganztagsplätze, Öffnungszeiten, Kosten und Qualität der Kinderbetreuung unterscheiden sich zwischen den Bundesländern stark. Die konkrete Umsetzung der Betreuungsbedingungen hängt stark von den Einrichtungen ab, weil es weder auf Bundes- noch auf Landesebene einheitliche Qualitätsstandards für Gruppengrößen, Team-Schlüssel und räumliche Gegebenheiten gibt.
Bundesländer wie Wien und das Burgenland bieten flexible Ganztagsangebote und kostenlose Plätze an. In Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und der Steiermark müssen Eltern hingegen oft mit Teilzeitangeboten, hohen Kostenanteilen oder eingeschränkten Öffnungszeiten auskommen.

Kinderbetreuung in Österreich: Kindergarten nur in Wien, Burgenland und Kärnten kostenlos
Als erstes Bundesland hat Wien den kostenlosen Kindergarten beschlossen. Seit 2009 zahlen Eltern nur das Mittagessen, die Kosten betragen 72 Euro pro Monat. Das Burgenland zog 10 Jahre später nach. Die öffentlichen Kindergärten und Krippen sind seitdem ebenfalls gratis, mit ähnlichen Zusatzkosten für Essen und Bastelmaterial. Kärnten setzt seit September 2023 ebenfalls auf ganztägig kostenlose Betreuung.
Niederösterreich bietet seit 2023 eine kostenlose Vormittagsbetreuung für alle Kinder unter sechs Jahren an, die Nachmittagsbetreuung bleibt mit Beiträgen zwischen 50 und 180 Euro aber weiterhin gebührenpflichtig. Auch in Oberösterreich ist die Vormittagsbetreuung kostenlos, Nachmittagsbetreuung kostet zwischen 46 und 119 Euro. In der Steiermark ist die Vormittags- und Nachmittagsbetreuung kostenpflichtig, gestaffelt nach Einkommen und kostet maximal 244 Euro monatlich. In Salzburg ist die Vormittagsbetreuung seit 2023 gratis, die Kosten für Nachmittagsbetreuung betragen zwischen 140 und 200 Euro monatlich. Tirol bietet einen kostenlosen Halbtagskindergarten bis 20 Stunden wöchentlich, Mehrkosten fallen für Ganztagsbetreuung an. In Vorarlberg ist der Kindergarten grundsätzlich kostenpflichtig, mit Ermäßigungen für einkommensschwache Familien. Die Kosten für fünf Nachmittagsmodule betragen rund 120 bis 150 Euro monatlich.
Laut Monitoring-Bericht zur elementaren Bildung 2024/25 der Statistik Austria sehen sich deshalb viele Eltern gezwungen, auf private Kinderbetreuungseinrichtungen auszuweichen, da öffentliche Angebote oft zu kurze Öffnungszeiten haben, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Außerdem sind nicht immer genügend öffentliche Plätze verfügbar. Private Einrichtungen bieten dagegen häufig echte Ganztagsbetreuung, die sich flexibel an den Alltag der Familien anpasst – allerdings zu einem Preis: Monatliche Gebühren von 300 bis 400 Euro sind keine Seltenheit.
Österreichweite Kindergartenpflicht erst ab 5 Jahren
Zwar besteht seit 2010 eine Kindergartenpflicht für alle Fünfjährigen, doch weder beim Zugang für Kinder unter drei Jahren noch bei Öffnungszeiten oder den Kosten gelten bundesweit verbindliche Standards. Zuständig sind die Länder, die Finanzierung erfolgt über Mischformen von Ländern, Gemeinden und Elternbeiträgen.
Im Familienguide 2025, einer Broschüre, die vom Bundeskanzleramt Österreich herausgegeben wird und Familien über die wichtigsten Unterstützungen informiert, heißt es zur Kinderbetreuung in Österreich knapp:
„Die Regelung der Rahmenbedingungen für Kinderbildung und -betreuung fällt in die Kompetenz der Bundesländer. Anzahl, Öffnungszeiten und Kosten können daher unterschiedlich sein.“
Wie unterschiedlich das Angebot in den Bundesländern tatsächlich ist, legt der Statistik Austria – Kinderbetreuungsmonitor, der seit 2023 jährlich veröffentlicht wird, offen.
Statistik Austria – Kinderbetreuungsmonitor: Wien bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf Platz 1
Ein Schwerpunkt des Berichts ist der sogenannte Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF). Damit sind Kinderbetreuungseinrichtungen gemeint, die Eltern eine Vollzeiterwerbstätigkeit ermöglichen. Voraussetzungen dafür sind unter anderem Öffnungszeiten von mindestens 45 Stunden pro Woche und 47 Wochen pro Jahr.
Laut Statistik Austria sind österreichweit rund 60 % der betreuten drei- bis fünfjährigen Kinder in VIF-konformen Einrichtungen. Die regionalen Unterschiede sind aber groß.
Die Bundeshauptstadt führt das Ranking an. Wien erreicht bei den unter 3-Jährigen eine Betreuungsquote von rund 42 Prozent und liegt damit deutlich über dem Österreich-Schnitt von knapp 29 Prozent. Bei den 3- bis 5-Jährigen sind es 94 Prozent. In Wien liegt die VIF-Quote bei 89,1%, was deutlich über dem österreichischen Durchschnitt liegt und der höchste Wert unter den Bundesländern ist.
Oberösterreich erreicht zwar eine Betreuungsquote von über 90 %, liegt aber bei der VIF-konformen Betreuung (Betreuung, die Vollzeitberufstätigkeit ermöglicht) mit nur 41,3 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das deutet auf eine geringere Qualität oder weniger flexible Betreuungsangebote hin. Auch in Niederösterreich schwanken die Werte stark – dazu später mehr. Vorarlberg liegt mit 95,6% Betreuungsquote in der Breite gut, jedoch mit 65,2% VIF-Konformität im Mittelfeld.
Das einzige Bundesland mit negativem Trend ist die Steiermark: Hier ist der Anteil der Vollzeit-Plätze für Drei- bis Fünfjährige seit dem Vorjahr auf 46 Prozent zurückgegangen. Schlusslicht in der Statistik ist Oberösterreich mit nur knapp 40 Prozent Vollzeit-Plätzen.
Österreichweit sind rund 60 % der betreuten drei- bis fünfjährigen Kinder in Einrichtungen, die Eltern eine Vollzeittätigkeit ermöglichen. Die regionalen Unterschiede sind aber groß. ⤵️#Kinderbetreuung pic.twitter.com/QhZ6mJBKBr
— Statistik Austria (@STATISTIK_AT) August 25, 2025
Mit dem Statitik-Austria-Kinderbetreuungsmonitor sollen auch die Fortschritte beim Ausbau künftig messbar werden. Denn bis 2030 stellt der Bund den Ländern vier Milliarden Euro zur Verfügung. Im Fokus stehen vor allem mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren, längere Öffnungszeiten sowie eine Verbesserung der Betreuungsqualität.
Betreuungspflichten oft Grund für Teilzeit
Die Daten aus dem Kinderbetreuungsmonitor lassen auch Rückschlüsse auf die Erwerbstätigkeit zu: Betreuungspflichten sind nach wie vor der häufigste Grund für Teilzeitarbeit, insbesondere bei Frauen. Nur knapp 19 Prozent der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten Vollzeit – im Vergleich zu 85 Prozent bei den Männern. Die Erwerbsquote der Väter bleibt nahezu unbeeinflusst. Der Ausbau von ganztägiger Kinderbetreuung gilt daher als eine der zentralen Stellschrauben für mehr Gleichstellung am Arbeitsmarkt.

Grafik: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2024.
Ines Stilling, Bereichsleiterin Soziales bei der Arbeiterkammer Wien, sieht noch „deutlich Luft nach oben“ bei der Kinderbetreuung in Österreich. Sie spricht zwar von einer „positiven Richtung“, jedoch sei in den Bundesländern noch viel zu tun. Denn Wien verzerre die Statistik im positiven Sinne. „Damit Eltern wirklich Wahlfreiheit haben, um Beruf und Familie vereinbaren zu können, gibt es in allen Bundesländern noch viel zu tun“, sagt die Expertin im Ö1 Morgenjournal.
Kinderbetreuung in Niederösterreich: Fortschritte, aber nur Platz 4 im Vereinbarkeitsindex
Niederösterreich hat das Kinderbetreuungsangebot in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Anfangs stießen Vorstöße der SPÖ auf Widerstand, doch durch politischen Druck und anhaltende Kritik konnten erste Verbesserungen der Betreuungssituation erreicht werden. Anfang 2022 stellte die SPÖ Niederösterreich dafür das sogenannte „KinderPROgramm“ vor, das auf den drei Säulen „ganztägig, ganzjährig, gratis“ beruht und den Ausbau eines flächendeckenden, kostenfreien und qualitativ hochwertigen Ganztagsangebots ermöglichen soll.
Aktuelle Zahlen aus dem Kinderbetreuungsmonitor 2024/25 der Statistik Austria zeigen, dass rund 98,2 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder in Niederösterreich eine Betreuungseinrichtung besuchen. Auch bei den unter Dreijährigen liegt Niederösterreich mit 38,6 Prozent über dem Österreich-Schnitt und hat sich gegenüber dem Vorjahr verbessert. 98,4 Prozent der Einrichtungen sind ganztägig geöffnet, und 93,5 Prozent öffnen 47 oder mehr Wochen im Jahr.
Ganztagsbetreuung in NÖ weiter nicht kostenlos
Doch trotz kostenloser Vormittagsplätze müssen Eltern für Nachmittagsbetreuung oft hohe Beiträge zahlen. Das belastet Familien finanziell stark, gerade angesichts steigender Lebenshaltungskosten – und sorgt für Kritik der SPÖ Niederösterreich. Sie kritisiert, dass es weiterhin keinen flächendeckenden, kostenlosen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem 1. Lebensjahr gibt. Das benachteiligt aus sozialpolitischer Sicht insbesondere Familien mit geringeren Einkommen. Laut SPÖ NÖ-Chef Sven Hergovich sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Niederösterreich nicht gegeben:
„Während in Wien fast 90 Prozent der Kinderbetreuungsplätze VIF-konform sind und damit Eltern echte Vereinbarkeit ermöglichen, liegt Niederösterreich trotz leichter Verbesserungen meilenweit dahinter“, so Hergovich.
Tatsächlich variiert der Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF) innerhalb Niederösterreichs stark: Im Bundesländervergleich bei der VIF-konformen Kinderbetreuung 2024/25 belegt Niederösterreich nur den 4. Platz. Der Anteil der VIF-konformen Betreuung bei den 3- bis 5-Jährigen liegt bei etwa 56,5% und bei den unter 3-Jährigen bei rund 64,5%. Während Wien mit etwa 90% bei der VIF-konformen Betreuung klar vorne liegt, hat Wiener Neustadt mit etwa 63,9% deutlich niedrigere Werte.

Grafik: Statistik Austria, Monitoring-Bericht – Statistik über die elementare Bildung und das Hortwesen 2024/25.
Die SPÖ NÖ fordert daher ein ganztägiges, kostenloses Angebot, das echte Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie garantiert.
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wenn Sie relevante Informationen zum Artikel beitragen können, schicken Sie uns doch eine Mail!