Die FPÖ Niederösterreich präsentiert sich gerne als Alternative zum politischen Establishment. Doch im Landtag zeigt sich ein anderes Bild. Abgeordnete der Freiheitlichen sitzen auf einflussreichen Posten in landeseigenen Unternehmen oder öffentlichen Institutionen – oft ohne erkennbare Qualifikation. Gleichzeitig bessern zahlreiche FPÖ-Mandatare ihr Abgeordnetengehalt mit lukrativen Nebenjobs auf.
Dieser Artikel beleuchtet Postenschacher-Vorwürfte rund um die FPÖ. Er zeigt, wie eng viele Mandatare der Freiheitlichen in Niederösterreich mit dem politischen Betrieb verflochten sind – und wie stark sie persönlich davon profitieren.
Schlüsselpositionen in NÖ Landesgesellschaften mit FPÖ-Günstlingen besetzt
NÖGUS, NÖVOG, VOR, Notruf NÖ GmbH und MAG – Menschen mit Arbeit – all diese Unternehmen sind Landesgesellschaften in Niederösterreich. Es sind also Organisationen, die mehrheitlich dem Land gehören und Aufgaben der öffentlichen Vorsorge übernehmen. Dazu zählen die Gesundheitsversorgung, Verkehr, Arbeit sowie Notrufdienste.
Was all diese Unternehmen gemeinsam haben, ist eine Auffälligkeit: in der aktuellen Legislaturperiode sind zahlreiche Spitzenpositionen – etwa Geschäftsführung, Prokura und Aufsichtsrat – mit Personen besetzt, die eine enge Verbindung zur FPÖ oder ihrem innerparteilichen Netzwerk in Niederösterreich aufweisen. Ist der Postenschacher bei der FPÖ ein festes Prinzip bei der Vergabe öffentlicher Ämter?
Ex-FPÖ-Büromitarbeiter als Geschäftsführer: Niederösterreichischer Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS)
Die Geschäftsführung des NÖGUS zeigt, wie eng die Verflechtungen innerhalb der FPÖ und den Führungsetagen öffentlicher Unternehmen in Niederösterreich sind. Mit Volker Knestel, einem ehemaligen Kabinettschef im FPÖ-Gesundheitsministerium und Jörg Hausberger, dem Ex-Büroleiter eines FPÖ-Landesrats, sind in der NÖGUS gleich zwei Führungspersönlichkeiten mit freiheitlicher Parteibiografie zu finden. Neben seiner Tätigkeit als NÖGUS-Geschäftsführer ist Knestel Medienberichten zufolge außerdem Geschäftsführer von Vitaly Management, einer Firma, die Beratungen im Gesundheitsbereich anbietet.
Von FPÖ-TV in den Aufsichtsrat: Niederösterreichische Verkehrsorganisationsgesellschaft (NÖVOG)
Im Führungsgremium der NÖVOG und der dazugehörigen Bahngesellschaften sind ebenfalls zahlreiche FPÖ-nahe Personen zu finden. Beispiele sind der Landtagsabgeordnete, Aufsichtsratschef und Burschenschafter Hubert Keyl. Er war 2010 in eine medial bekannt gewordene Prügelaffäre verwickelt, in deren Rahmen auch der wegen Wiederbetätigung verurteilte Neonazi Gottfried Küssel in Erscheinung trat.
Im Aufsichtsrat sitzt Arnold Schiefer, der seit 2024 FPÖ-Nationalratsabgeordneter ist. Schiefer ist Ex-ÖBB- Aufsichtsratsvorsitzender und früherer FPÖ-Koalitionsverhandler. Und er ist Alter Herr der schlagenden Burschenschaft Teutonia.
Die umstrittene Bestellung der Ex-FPÖ-TV-Moderatorin Georgia Pokorny in den Aufsichtsrat sorgt für heftige öffentliche Empörung – und wirft Fragen auf. Medien werfen der FPÖ Postenschacher vor, denn bei der Besetzung scheint die fachliche Qualifikation eine Nebenrolle zu spielen. Im Zuge der Regierungsbeteiligung der niederösterreichischen FPÖ wurde Pokorny zunächst Büromitarbeiterin von Landeshauptfrau-Vize Udo Landbauer, dann Aufsichtsrätin bei der NÖVOG, den Niederösterreich Bahnen.
Burschenschafter als Geschäftsführer: Verkehrsverbund Ost-Region (VOR)
Mit Alexander Andreas Schierhuber, einem Burschenschafter und Ex-Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Studenten und schlagender Burschenschafter beim Akademischen Corps Saxonia, findet sich ein weiterer FPÖ-Netzwerker auf einem lukrativen Geschäftsführer-Posten in den Landesgesellschaften Niederösterreichs.
Die FPÖ argumentiert im Fall Schierhuber mit fachlicher Qualifikation, doch Fragen nach Transparenz und Fairness im Auswahlprozess bleiben offen. Denn die Geschäftsführerposition wurde nicht öffentlich ausgeschrieben.
FPÖ-Stadtrat als Prokurist: Notruf NÖ GmbH
Die Dichte an FPÖ-nahen Personen ist auch in der Notruf NÖ GmbH auffällig: Prokurist Klaus Otzelberger ist zugleich FPÖ-Stadtrat und Stadtparteiobmann in St. Pölten. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Walter Dostal, war zuvor FPÖ-Bezirksrat in Wien und Büromitarbeiter im Kabinett von Christoph Luisser.
Klubdirektor der FPÖ NÖ als Geschäftsführer: Menschen und Arbeit GmbH (MAG)
Auch bei der MAG GmbH lassen die personellen Strukturen unmissverständliche Rückschlüsse zu: Geschäftsführer Robert Lagler war Klubdirektor der FPÖ NÖ und wurde im April 2025 zum Obmann des Verbands Freiheitlicher und Unabhängiger Gemeindevertreter Niederösterreichs (GVV) für Zwettl bestellt. Der 39-Jährige ist außerdem geschäftsführender FPÖ-Gemeinderat in Kirchschlag im Bezirk Zwettl.
Walter Dostal, der auch im Aufsichtsrat der Notruf NÖ GmbH sitzt (siehe oben), zeigt erneut, dass er innerhalb von FPÖ-Kreisen bestens vernetzt ist. Denn er ist neben seiner Funktion bei Notruf NÖ auch Prokurist bei MAG – der Menschen und Arbeit GmbH.
Die Organisation ist im Ressort von FPÖ Landesrätin Susanne Rosenkranz angesiedelt und wird als „Drehscheibe für Arbeit und Beruf” aus Mitteln des Landes Niederösterreich, des Arbeitsmarktservice, des Sozialministeriums sowie des Europäischen Sozialfonds finanziert.
Versorgung auf allen Ebenen: FPÖ auch bei Nebenjobs vorne
Unter dem Stichwort Postenschacher wird also zunehmend die Praxis hinterfragt, wie die FPÖ strategische Positionen besetzt. Doch nicht nur bei Topjobs sorgt die FPÖ dafür, dass Vertraute und Weggefährten zum Zug kommen. Auch bei den Nebeneinkünften der Abgeordneten im Landtag spielt die Freiheitliche Partei Österreichs eine führende Rolle. Dank der Transparenzpflicht gibt es seltene Einblicke darüber, wie viel zusätzliches Geld in die Geldbörsen der Politiker fließt.
FPÖ führt das Ranking der Top-Nebenverdienste im Nationalrat an
Die im Juni 2025 veröffentlichten Einkommensdaten der Nationalratsabgeordneten haben bereits für Aufregung gesorgt. Aus den Veröffentlichungen geht hervor, dass die FPÖ das Ranking der Top-Verdiener durch Nebenbeschäftigungen deutlich anführt. Im österreichischen Parlament haben FPÖ-Abgeordnete im Schnitt 1,9 Nebenjobs – das ist mehr als bei jeder anderen Partei.
Besonders auffällig ist, dass gleich sieben FPÖ-Mandatare monatlich mehr als 12.000 Euro zusätzlich zum regulären Abgeordnetengehalt von rund 10.350 Euro verdienen.
Diese Zahlen werfen ein grelles Licht auf die vermeintlichen „Systemkritiker“, die selbst tief im System verwurzelt sind. Nicht nur sind Sie Teil der politischen Elite, die sie kritisieren, sondern sie profitieren auch noch persönlich am meisten davon.
Die Nebenverdienste der Abgeordneten im niederösterreichischen Landtag
Wir nehmen diese kritische Berichterstattung zum Anlass, um den Blick auch auf den niederösterreichischen Landtag zu richten. Denn im flächenmäßig größten Bundesland ist die FPÖ mit 14 Abgeordneten stark vertreten. Auch hier zeigt sich: Neben ihrem regulären Gehalt als Landtagsabgeordnete von etwa 7.500 Euro brutto im Monat erhielten FPÖ-Abgeordnete im Jahr 2024 teilweise beträchtliche Nebeneinkünfte.
NÖ-Landtagsabgeordneter und Top-Verdiener: Der Fall Reinhard Teufel
Ein besonders prominentes Beispiel für die Ansammlung einer Vielzahl lukrativer Nebenjobs ist Reinhard Teufel, der Klubobmann der FPÖ im NÖ Landtag und enger Vertrauter von Herbert Kickl. Als Landtagsabgeordneter bezieht er ein Gehalt von 10.351 Euro brutto pro Monat. Außerdem sitzt er im Gemeinderat in Gaming. Teufel übt aber noch weitere Jobs aus: Im Jahr 2024 war er zusätzlich zu den bereits genannten Tätigkeiten auch Aufsichtsrat der Breitband Holding GmbH und der Wirtschaftsagentur Niederösterreich sowie Delegierter der OÖ Wechselseitigen Versicherung. Damit nicht genug: Er betreibt außerdem den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern und führt die Agrargemeinschaft Lackenhof mit 121 Hektar.
Wie im Profil berichtet, war Teufel außerdem zeitweise auch im FPÖ-Parlamentsklub in Wien beschäftigt. Inzwischen ist er von der Transparenzliste verschwunden, obwohl er auf der Liste der FPÖ-Klubmitarbeiter von Ende 2024 noch zu finden ist. Wieder wird medial diskutiert: Betreibt die FPÖ systematischen Postenschacher, um Macht und Einfluss innerhalb der Verwaltung zu sichern?
Keyl, Dorner: Zwei weitere FPÖ-Mandatare mit satten Zusatzeinkünften
Neben Teufel verfügen auch andere FPÖ-Abgeordnete im NÖ Landtag über beträchtliche Nebenverdienste. Sie liegen in verschiedenen Kategorien zwischen 1.150 bis über 12.000 Euro monatlich. Zu den Top-Verdienern zählen neben Teufel auch Hubert Keyl und Dieter Dorner. Keyl verdient wie Teufel bis zu 12.000 Euro zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt. Spitzenreiter mit mehr als 12.000 Euro Zusatzeinkommen ist aber Dieter Dorner. Er ist seit 2014 Ortsparteiobmann und geschäftsführender Gemeinderat in Untersiebenbrunn im Bezirk Gänserndorf, seit 2015 Bezirksobmann im freiheitlichen Gemeindevertreterverband Niederösterreich und seit 2018 Landtagsabgeordneter.
FPÖ: Gegen das System – aber mit vollem Konto
Diese Praxis wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie glaubwürdig sind jene Politiker, die das „System“ und die „Eliten“ attackieren, während sie selbst am meisten von Nebenjobs profitieren?
Konfrontiert mit den Vorwürfen, versucht man innerhalb der FPÖ, die Kritik an den hohen Nebenverdiensten als „linken Neid“ abzutun. Die Partei präsentiert ihre Mitglieder als „ehrliche Leistungsträger“. Das Argument: Ihre Abgeordneten seien erfolgreiche Unternehmer, Juristen oder Selbstständige, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren. Dabei wird jedoch verschwiegen, dass die Nebenverdienste zwar legal, aber in der Summe besonders hoch sind. Dass gerade die Partei, die das „System“ am schärfsten attackiert, selbst kräftig von diesem profitiert, lässt nicht nur einen Widerspruch zum vermeintlichen Systemkritiker-Image erkennen, sondern macht diesen auch greifbar.
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